Mein persönlicher Wunsch für das Jahr 2023
Leider hat sich 2018 auch zu den Vorjahren nicht viel getan. Immernoch sind es wie uns die Bundestagswahl in unserem eigenen Land gezeigt hat relative Minderheiten die mit einfachen Parolen Stimmen fangen, aber sie sind eben da und haben es auch bei uns ins Parlament geschafft. In allen Deutschen Landtagen ist eine AfD mittlerweile vertreten und in Österreich war es sogar möglich, dass die ehemalige "Haider Partei" FPÖ nun mit Sebastian Kurz die neue Regierung stellt und sich wohl künftig ganz sicher noch mehr in Richtung Tschechien und Ungarn orientieren wird. Lediglich in Frankreich kam Marine Le Pen gottlob nicht an die Regierung und so können wir zumindest hier weiter auf einen modern und europäisch denkenden Nachbarn zählen.
Das Jahr 2018 - wie auch die ein, zwei vorangegangenen Jahre haben mich ein grosses Stück weit enttäuscht und mich immer wieder nach dem Sinn unseres europäischen wie auch westlichen Lebens fragen lassen. Wie konnte es soweit kommen, dass runde 70 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges der Platz für populistische, mit einfachsten Aussagen argumentierende Parteien, in Europa wieder derart gross werden konnte. Den meisten Ländern innerhalb der EU geht es um Längen besser als allen diesen Ländern, aus denen Menschen derzeit verstärkt zu uns strömen. Wie kann man sich in dieser westlichen Welt derart egoistisch vor diesem Problemen verschliessen und Grenzen blocken, bzw. Obergrenzen fordern.
"Wir können nicht die ganze Welt aufnehmen" - da gebe ich jedem Recht, nur müssen wir uns durchaus unserer Mitverantwortung gegenüber vieler dieser Nationen und unserer Ausbeute dort bewusst sein. Vielfach ist es einfach auch nur den schlechteren klimatischen Verhältnissen dort geschuldet. Und wären wir nicht mittlerweile fast alleine innerhalb der EU, könnten wir den Ansturm sehr wohl stemmen. Da in unserem erfolgsverwöhnten Europa aber offenbar die Angst vor Verlust und Andersartigkeit derart gross geworden ist, geben wir dümmsten und einfachsten Parolen von Populisten die Chance ständig mehr Wähler zu erreichen. Bereits einen halben Tag nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin weis unser Bayerischer Ministerpräsident bereits, dass man gegenüber dem Bürger jetzt mit Obergrenzen und stärkerer Eingangskontrollen Verantwortung zeigen müsse. Seit zwei Jahren fordert Herr Seehofer diese Obergrenze - trotzdem ist die AFD immer stärker geworden. Das Argument den Populisten nicht komplett das Feld zu überlassen sehe ich hier nur bedingt. Warum ist eine AFD vor allem stark in einer Region Deutschlands, die nachweislich am wenigsten Flüchtlinge beherbergt und die nach dem Mauerfall nur zu gerne Hilfe vom Westen angenommen hat ? Nicht alles läuft hier gegenwärtig bezogen auf die Flüchtlingspolitik rund und komplett richtig. Vieles kann und wird man in der Zukunft ändern und verbessern müssen. Das war aber immer klar, wenn plötzlich Millionen Menschen zu uns kommen, kann nicht alles optimal laufen. Hätte Frau Merkel beim Ansturm der Flüchtlinge in Budapest erst warten sollen, bis man hier Jahre später alles diesbezüglich durchorganisiert hat. Bis dahin hätte es dort unter Garantie Tote gegeben.
80 Prozent der Aussagen die AfD und Pegida Aktivisten in Talksendungen von sich gegeben haben, könnten widerlegt werden. Ausgerechnet diese Menschen skandieren dann von Lügenpresse ! Ist dieser Unsinn aber erstmal über den Bildschirm, wird die Richtigstellung meist aber nur noch von sehr wenigen wahrgenommen. Mit einfachsten Parolen und ohne jede Verantwortung diese Parolen beweisen zu müssen ködern sie Menschen und verheissen das grosse Glück in einer Republik die wieder frei von Muslimen und Andersartigkeit ist. Das erinnert - auch wenn ich es nicht erlebt habe - doch sehr an eine Zeit die dann 1939 in den Ausbruch des 2. Weltkrieges mündete.
Wehret der Anfänge, - jeder der einer AfD, anderer rechter Orientierungen oder einer Pegida Bewegung nicht deutlich widerspricht, macht sich im Zweifel mitschuldig ! Auch ein stummes Schweigen aber mitgehen auf diesen Kundgebungen darf keiner tolerieren.
Selbstverständlich muss jeder der hier ist und das deutsche Recht missbraucht oder nicht beachtet entsprechend geahndet werden. Kein Zweifel daran und auch keine Sonderbehandlung von Flüchtlingen oder Ausländern. Es ist aber falsch und unanständig ausschliesslich die Straftaten dieser Flüchtlinge hervorzuheben und darin auch ständig einen Anstieg zu erkennen und Straftaten nur noch bei Flüchtlingen zu suchen. Die grosse Masse derer die hierher kommen sind einfach nur dankbar von uns Hilfe zu erhalten. Der Prozentsatz der kriminellen Flüchlinge liegt im einstellligen Bereich. In vielen Fällen ist es aber auf Grund der besonderen Umstände, der Unterbringung hier und der Vergangenheit dieser Menschen vorher evtl. sogar verständlich, dass sich daraus besondere situationsbedingte Probleme ergeben können. Probleme die auch wir mit unter - wären wir in Lagern zusammengepfercht und hätten wir den ganzen Tag keine Aufgaben und keinen Anschluss - für uns nicht gänzlich ausschliessen könnten.
In jedem Fall in meinen Augen sehr viel verständlicher aber als Anschläge auf Asylbewerber und Beschimpfungen dieser von Deutschen. Allesamt waren diese Deutschen bis dato wohl eher nicht ständig in Lebensangst, wurden verfolgt und mit Bomben beworfen. Diese Deutschen leben seit je her in einem der stärksten Sozialsysteme weltweit, in Frieden und in gemäsigten klimatischen Breiten. Und dies auch noch unverschämterweise, in einem Land von dem zwei Weltkriege ausgingen.
Sie tun das aus reinem Zufall - weil sie einfach Glück hatten und hierher geboren wurden. Ohne auch nur einen Finger dafür zu krümmen oder irgendetwas dafür getan zu haben. Viele von denen die da heute brüllen, sind 1990 gerne von uns im Westen aufgenommen worden.
Weil es hier ja so schlecht ist und wir hier von aussen in unserem Glauben und in unserer Weltanschauung ja so bedroht werden, wollen aktuell auch so viele auf der Flucht befindliche Menschen hierher. Was erdreisten sich diese Schwachköpfe von Pegida und Co., sich hier über irgendetwas überhaupt zu beschweren ? Offenbar verliert eine Made im Speck aber offenbar ihr Urteilsvermögen !
Um das aber zu sehen muss man ab und an mal über den Tellerrand hinausschauen. Da genügt es leider nicht sich medial von Gameshows, Facebook und Bildzeitung zu ernähren.
Mein Wunsch für 2019 ? - Endlich aufwachen in welch luxuriöser Komfortzone wir leben. Endlich dafür dankbar sein, dass wir ohne persönliche Verdienste hier leben dürfen und zumindest die Jüngeren unter uns wohl keinen Hunger, Krieg und Verfolgung erlebt haben. Wenn diese Dankbarkeit dann einen "Gutmenschen" ausmacht, dann möchte ich aus Sicht und Meinung dieser Montagsspaziergänger der Pegida gerne ein solcher Gutmensch sein !
Hoffnung auch, dass diese Idioten niemals "das Volk" sind !
Hier ein Artikel, den ich vor kurzem im Tagesspiegel gelesen habe. Ich kann durch meinen "Wunsch für 2018" an der Gesamtsituation bestimmt nichts ändern. Ich erdreiste mich aber auch nicht aus unserem Wohlstandsstaat heraus zu beurteilen, wer hier her kommen darf und wer nicht, bzw. wer aus welcher Notsituation berechtigt oder nicht berechtigt ist von uns Hilfe zu bekommen !!! Das überlasse ich anderen - Menschen von denen ich leider auch nicht glaube, dass Sie diese Zeilen von mir jemals lesen werden.
„Ich schäme mich“ von Erik Marquardt
„Ich möchte mich entschuldigen, bei den Menschen, die ertrinken werden, obwohl Europa das verhindern könnte.“ Grünen-Politiker und Fotograf Erik Marquardt war mit Flüchtlingsrettern auf dem Mittelmeer unterwegs. Ein Gastbeitrag zum Weltflüchtlingstag.
Anderswo wird geredet, hier gerettet. Heute bin ich zurück. Am Abend eine Finissage meiner Ausstellung, gestern noch auf dem Mittelmeer. Es fühlt sich fremd an, die Diskussionen sind kälter geworden, obwohl sie schon lange vor meinen Seenotrettungsmissionen nicht von Wärme geprägt waren.
Ich glaube gar nicht, dass Kanzlerin Angela Merkel, Innenminister Horst Seehofer oder Ministerpräsident Markus Söder im Zweifelsfall wirklich bewusst ist, wie die Situation auf dem Mittelmeer ist oder warum sich die Menschen auf den Weg machen. Sie kennen die Leere nicht, die man fühlt, wenn man Menschen nicht mehr helfen kann. Sie kennen das Gefühl nicht, Menschen auf einem überfüllten Boot ins Gesicht zu schauen, während sie davon berichten, wie es sich anfühlt, ohne Würde und Freiheit zu leben – wie es sich anfühlt, für ein paar hundert Dollar auf einem Markt versklavt und vergewaltigt zu werden. Und wahrscheinlich verdrängen sie die Aktenordner mit den bürokratischen Berichten über systematische Vergewaltigungen, Folter und Sklaverei in Libyen gern.
Es gibt diese Berichte in den Büros der Verantwortlichen zwar, aber es ist etwas anderes, wenn ein junger alleinreisender Mann berichtet, dass er während der Folter seine Mutter anrufen musste, die die schmerzhaften Schreie ihres Sohnes während der Elektroschocks so lange anhören musste, bis sie bereit war, ihr Haus zu verkaufen und ihn freizukaufen, damit er nicht getötet wird. Es ist etwas anderes, wenn man ernst nimmt, dass Menschen lieber auf dem Wasser sterben, als weiter auf unmenschliche Art und Weise behandelt zu werden.
Ich habe in den vergangenen Wochen viele Erfahrungen gemacht, auch schöne. Aber der Hass, die Wut und Unwissenheit, die einem von europäischen Schreibtischen und Sesseln entgegenschlägt, ist ekelhaft. Es ist uns Seenotrettern eigentlich egal, ob wir dafür geliebt oder gehasst werden, was wir tun. Es geht nicht um Anerkennung, sondern um Menschenleben. Aber die alternativen Fakten, die sich weit verteilen, sind erschreckend. Während wir jeden Einsatz mit der offiziellen Seenotleitstelle absprechen und die Wut sich gegen NGOs entlädt, die in Zusammenarbeit mit der Seenotleitstelle genau das Gleiche tun, was auch Küstenwache und Militärschiffe auf See tun: Menschen vor dem Ertrinken retten und dann an einen sicheren Ort bringen. Warum wir die Menschen dann nicht zurück nach Libyen bringen, werden wir oft gefragt. Weil es verboten und unmenschlich wäre, lautet die einfache Antwort. Deswegen bringt auch die italienische Küstenwache die Menschen nach Italien.
Dutzende ertranken !
Ich kann nach fünf Wochen auf See, in denen Hunderte gerettet wurden und Dutzende ertranken, nicht die richtigen Worte finden, um die Situation zu beschreiben, aber ich schäme mich. Ich schäme mich dafür, dass so viele Menschen in Europa sie lieber sterben lassen, als sie zu retten. Ich schäme mich dafür, dass meine Regierung eine gewalttätige Küstenwachenmiliz in Libyen unterstützt, die mit widerlichen und völkerrechtswidrigen Methoden die Menschen in Lebensgefahr bringt. Ich schäme mich dafür, dass so viele Menschen sterben müssen und dass sich darüber so wenige empören. An welchem Punkt der Geschichte befinden wir uns, wenn es zum Verbrechen wird, Menschen vor dem Ertrinken zu retten? Ich schäme mich dafür, dass wir Menschen in Not nicht helfen können, und dass es möglich wurde, in diese Situation zu geraten. Ich schäme mich dafür, dass die Seenotretter auf dem Mittelmeer noch nicht wissen, ob sie weiter Menschenleben retten können – rechtlich und finanziell.
Ich möchte mich entschuldigen, bei den Menschen, die ertrinken werden, obwohl Europa das verhindern könnte. Aber eine Entschuldigung wird sie nicht retten.
Es tut mir leid.
Der Politiker der Grünen und Fotograf Erik Marquardt